Sprachgestalten

image is a tender word

wordworkwonder

museum on the roll

Schau, it talks to you
Text

von Birgit Eusterschulte

zur Ausstellung IMAGE IS A TENDER WORD
Galerija Nova, Zagreb
13/05 – 29/05/05

Installationsansichtt
mit Künstlerin

dt. pdf
image is a tender word


„Das be wird auf den Rücken gepackt. Die Worte side, hind und fore werden im Raum bewegt und zugeordnet“, kommentiert Anna Gollwitzer die Aktionen, die in ihrem neuesten Video „beside behind and before“ (2005) zu sehen sind. Die Worte und Wortfragmente in Gollwitzers Video sind zu tragbaren und beweglichen, dreidimensionalen Objekten aus Furnierholz geworden, Wortobjekte des alltäglichen Gebrauches wie es scheint: während man sich das be mit einem Rucksackgestell bequem auf den Rücken schnallen kann, lassen sich hide, side und fore trotz ihrer Größe mühelos auf Sackkarren und Möbelhunden durch den Raum bewegen und einander zuordnen. Gebrauchs- oder Handlungsanweisungen ähnlich unterweist uns die Künstlerin im Video zusammen mit Annette Hollywood in der Wortarbeit (geschäftig transportieren sie die Worte durch den Raum) und wie wir als Akteure der Installation diese Wortarbeit bewerkstelligen können.

In den performativ ausgerichteten Installationen Anna Gollwitzers sind das Medium Sprache und deren diskursive Strukturen und kommunikative Potentiale zentrale Themen der Auseinandersetzung, wobei sie den Bezugsrahmen ihrer Untersuchung im Verhältnis von Bild und Wort, von Raum, Körper und Bewegung und den in diesen Konstellationen entstehenden Rollen und Inszenierungen setzt.

Die sprachlichen Zeichen, die Gollwitzer benutzt, - ob Satzzeichen, Wort oder Wortfragment - lassen sich in ihrer Loslösung aus einem herkömmlichen Textgebilde zunächst durch einen hohen Grad an Abstraktheit oder einer nur vagen Aussagekraft charakterisieren. Die einzelnen Worte treten aus ihrer erzählenden oder dramatischen Funktion heraus und in ein räumliches und zeitliches Verhältnis zueinander, zum Raum, zur Handlung und zum Akteur und erhalten so die Möglichkeit, doppel- und mehrdeutig zu werden. Im Falle der Arbeit „beside, behind and before“ werden die außersprachlichen Referenzen insbesondere durch diejenige der handelnden Person bestimmt, die sich des Wortes „be“ ermächtigt und damit die Definitionsmacht über den Diskurs erhält. Wie treten die Worte in den Diskurs ein, könnte man beim Betrachten der Projektion „windowword“ fragen. Wiederholt wird das aus dem Kontext losgelöste Wort there durch ein geöffnetes Fenster aus der Dunkelheit der Nacht in einen erleuchteten Innenraum geworfen. Das Projektionsbild ist bestimmt durch die geöffneten Flügel eines Fensters und durch eine Person, die mit dem fast lebensgroßen Wortobjekt there agiert und es auf unterschiedliche Weise in den Raum - quasi dem Betrachter entgegen – wirft.
Wie viele von Gollwitzers Figuren entzieht sich auch diese durch die Wahl der Kleidungsstücke und Maskierung herkömmliche Rollen- und Geschlechterzuschreibungen und verweist so neben der Frage von Wiederholung und Differenz auf das Nachdenken über konventionell festgeschriebene Rollenmodelle und den Möglichkeiten der Brechung und Verschiebung als einem weiteren wichtigen Aspekt ihrer Arbeiten.

Gollwitzer versteht Sprache als Material, das innerhalb ihrer Rauminszenierungen und ihrer Videos Bildelementen und Objekten gleichwertig gegenübersteht, und transformiert in die skulpturale oder bildliche Ebene eine eigenständige Materialität erhält. Die materiell gewordene Sprache wird greifbar und bietet die Möglichkeit zu Erprobungen im Verhältnis zu Körper, Raum und zur Bewegung in Raum und Zeit. Die Erkenntnisse ihrer Spracharbeit und ihrer Überlegungen zu Kommunikations- und Sprachmodellen überträgt Anna Gollwitzer in ihren Installationen und Aktionen in performative und kommunikative Akte, die – mitunter spielerisch – den Betrachter mit einbeziehen.
Birgit Eusterschulte